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Beitrag vom 21.07.2010
Micmacs - Uns gehört Paris
Katharina Liese
Dany Boon spielt die Hauptrolle im neuesten, großartigen Film Jean-Pierre Jeunets, in dem er mithilfe einer liebenswert verrückten Gruppe von AußenseiterInnen der Waffenindustrie den Kampf ansagt
Der Eigenbrötler Bazil (Dany Boon) wuchs als Halbwaise auf, nachdem sein Vater durch eine Landmine in Nordafrika in den 1970-er Jahren ums Leben kam und seine Mutter daraufhin den Verstand verlor. Der vom Schicksal gebeutelte Videothekar tritt eines Tages vor die Ladentür und wird von einer verirrten Pistolenkugel in den Kopf getroffen. Ob die Kugel entfernt werden oder in Bazils Kopf bleiben soll, wobei er jeden Moment tot umfallen könne, entscheiden die Ärzte schließlich durch den Wurf einer Münze.
Aus der Klinik entlassen, muss Bazil ernüchtert feststellen, dass seine Stelle bereits neu besetzt und seine Wohnung aufgelöst wurde. Nach einigen Tagen des orientierungslosen Umherirrens durch die Straßen Paris` lernt er den Schrotthändler Canaille (Jean Pierre Marielle) kennen, der ihn mit an einen ganz besonderen Ort nimmt.
Eine WG der besonderen Art
Er führt Bazil in die Welt von sieben AußenseiterInnen ein, die sich in einer selbstgestalteten Höhle eine eigene Welt bestehend aus aussortierten Gebrauchtwaren aufgebaut haben. Vor dem Hintergrund zusammengebastelten Schrotts symbolisiert die Höhle einen Ort des Zusammenhalts bizarrer, aber liebenswerter Individuen, die sich als Familie zusammengefunden haben. So skurril wie die Charaktere anmuten, verspricht die Handlung vor allem eines: spannend zu bleiben!
Jedes Mitglied der Gruppe hat seine Eigenheiten.
Als selbsternanntes Oberhaupt sorgt die Köchin Cassoulette (Yolande Moreau) für den Zusammenhalt der verrückten Truppe. Calculette (Marie-Julie Baup), eine lebendige Rechenmaschine, die alles vermisst und verrechnet, was ihr unter die Augen kommt, ist ebenso Bestandteil des Teams wie Mademoiselle Kautschuk (Julie Ferrier), die sich als Schlangenfrau so verbiegen kann, dass sie überall hineinpasst, aber auch Bazil gehörig den Kopf verdreht...um nur einige von ihnen zu nennen.
Von "Toy Story" inspiriert, erschuf der Regisseur Jean-Pierre Jeunet Charaktere, die sich durch ihre jeweiligen Eigenschaften im Kampf gegen die Waffenhändler, aber auch in der kollektiven Freundschaft perfekt ergänzen.
Bazil wird Teil der Gemeinschaft und lebt sich schnell ein. Eines Tages entdeckt er zufällig die Firmensitze der beiden Waffenkonzerne, die für die Schicksale in seinem Leben verantwortlich sind. In ihm regen sich tiefe Rachegefühle, die das Ziel verfolgen, den Waffenhändlern den Garaus zu machen.
David gegen Goliath
Voller Abenteuerlust und Ideenreichtum schließen sich die "kleinen Leute" Bazil an, um den Unternehmern das Handwerk zu legen und sie wortwörtlich mit ihren eigenen Waffen zu schlagen. Durch geschickt eingefädelte Intrigen (auf Französisch = Micmacs) gelingt es ihnen, die Waffenlobbyisten gegeneinander aufzubringen.
Die kuriosen Persönlichkeiten gestatten den ZuschauerInnen die Möglichkeit der freien Fantasieentfaltung, so dass man voller Erwartung auf die nächsten Aktionen der Bande lauert, sie gerne bei ihren Machenschaften begleitet und sich letztendlich über gar nichts mehr wundert.
Regisseur Jean-Pierre Jeunet bietet nach "Die fabelhafte Welt der Amélie" wieder eine Geschichte, die sich durch ihren außergewöhnlichen Charakter auszeichnet. In seiner neuesten Komödie "Micmacs – Uns gehört Paris!" präsentiert er surrealistische und äußerst fantasievolle Eindrücke vor einem ernsthaften Hintergrund.
Darüber hinaus stellte er sich ein ausgezeichnetes SchauspielerInnensemble zusammen, das durch SchauspielerInnengrößen wie Dany Boon, Yolande Moreau oder André Dussolier, aber auch durch SchauspielerInnen glänzt wie Marie-Julie Baup, die in ihrer Rolle der Calculette zum ersten Mal auf der Kinoleinwand zu sehen ist.
Der Film feierte im Herbst 2009 auf den Internationalen Filmfestspielen in Toronto seine Premiere.
AVIVA-Tipp: Die eigenartigen zugleich liebenswerten Charaktere bilden in einem bunten und verrückten Durcheinander das Herzstück der Komödie, die auf herzliche Art zeigt, wie wichtig Zusammenhalt und Freundschaft sind. Der Regisseur Jean-Pierre Jeunet präsentiert mit "Micmacs – Uns gehört Paris" erneut einen Film, der anders ist. Doch gerade diese für Jeunet typischen originellen Ideen sorgen für ein äußerst unterhaltsames Kinovergnügen.
Zum Regisseur: Jean-Pierre Jeunet wurde 1953 in Roanne geboren. Nach seinem Studium in Nancy drehte er Werbefilme und Videos. Zusammen mit seinem Partner Marc Caro drehte er ab 1978 erste Animationsfilme. Nach mehreren international prämierten Kurzfilmen gelang Jeunet und Caro 1991 mit ihrem ersten abendfüllenden Spielfilm "Delicatessen" der Durchbruch. Das bildgewaltige Debüt, durchsetzt mit ebenso derbem wie schwarzem Humor, wurde schnell zum Kultfilm. Vier Jahre nach diesem erfolgreichen Kinodebüt legten die beiden 1995 mit "Die Stadt der verlorenen Kinder" nach. Das düstere und innovative Märchen wurde zu einem weltweiten Erfolg. So drehte der Regisseur 1997 in Hollywood mit "Alien - Die Wiedergeburt" seinen ersten Spielfilm in Alleinregie und sein bisher einziges Auftragswerk. Danach kehrte Jeunet nach Frankreich zurück und überraschte 2001 mit "Die fabelhafte Welt der Amélie" mit Audrey Tautou in der Hauptrolle erneut die Filmwelt. Der Film gewann internationale Preise, darunter vier Césars und Jeunet wurde mit dem Europäischen Filmpreis als bester Regisseur ausgezeichnet. Drei Jahre später veröffentlichte er den Film "Mathilde - eine große Liebe", der fünf Césars gewann.
Micmacs – Uns gehört Paris!
Originaltitel: Micmacs à tire-larigot
Frankreich 2009
104 Minuten
Regie: Jean-Pierre Jeunet
Drehbuch: Jean-Pierre Jeunet, Guillaume Laurant
DarstellerInnen: Dany Boon, André Dussollier, Nicolas Marie, Jean-Pierre Marielle, Yolande Moreau, Julie Ferrier, Omar Sy, Dominique Pinon, Michel Cremades, Marie-Julie Baup
Verleih: Kinowelt
Kinostart: 22. Juli 2010
Der Film im Netz: www.micmacs.kinowelt.de